Ein persönlicher Bericht
Meistens muss ich etwas verändern. Genaugenommen noch nicht einmal in erster Linie etwas, sondern vor allen Dingen ich mich.
Eigentlich will ich gar nicht, weil das Leben gerade so angenehm dahinfließt. Beruflich und privat hat sich alles ganz gut stabilisiert. Mit der Stimme ist auch alles in Ordnung. Ich hab schöne Sachen zu singen… Und dann wird das Leben auf einmal eng. Zuerst irgendwo allgemein, hier und da, und ich versuche, dem standzuhalten, den Druck auszuhalten, umzulenken, mich zu arrangieren… dann aber schlägt es auf die Stimme. Ich singe mit Druck, die Stimme hört sich für mich scharf an, obwohl es für die meisten anderen nicht so zu klingen scheint. Die Stimme hat aber in manchen Lagen einen unangenehmen Beiklang.
Ich stoppe. Ich höre für zwei, nein eigentlich fast drei Monate auf zu singen und frage mich, ob das je wieder ins Lot kommt.
Und damit beginnt die Suche nach den Ursachen. Wenn irgendetwas mit der Stimme ist, hat das i.d.R. seinen Grund in mir selbst. Ich werde fündig – aber was kann ich tun?
Und dann, wirklich aus heiterem Himmel, ereignet sich mit ganz wenig Aufwand ein ziefgreifender Wandel.
Wie oft sagen, hören, empfinden wir: es liegt etwas in der Luft? Wie oft haben wir den Eindruck, es fliege etwas um uns herum… eine Stimmung, Gedanken, Möglichkeiten… und auf einmal hat sich etwas Entscheidendes in einem selbst geändert und eine neue Richtung kann endlich oder manchmal auch ganz neu eingeschlagen werden. Genauso war es. Instant Change – sofortige Veränderung: Die Tür öffnet sich durch meine Entscheidung, das loszulassen, was mir so viel Druck macht, dass es auf die Stimme geht, und ich bin bereit, mich mit neuen Gedanken und Gefühlen … ja … geradezu auffüllen zu lassen.
Selbstermächtigung…. Ende der Ohnmacht…
Ich gestalte meine Welt, hab es in der Hand… kann mich immer wieder neu ausrichten …
Prozesse durchlaufen … immer wieder die Kurve kriegen und zwar eindeutig hin zum Besseren.
Spannend ist, dass sich das, was sich in mir verändert, tatsächlich so konkret vollzieht, dass es fast unheimlich ist. Und noch einmal spannend ist es, dies wirklich zu registrieren; das, was sich verändert hat, für wahr und auszuhalten anstatt für Einbildung, weil es doch nicht sein kann. Auch in Gedanken in die neue Erfahrung immer wieder einzusteigen und auszuprobieren, wie sich das anfühlt, was sich an neuem inneren Zustand in mir auftut. Mir wird klar, dass ich mir zwar oft wünsche, es möge sich dies und jenes endlich verändern. Aber wenn sich diese Veränderung tatsächlich einstellt, dann muss ich mich doch erst einmal in diesem Neuland umschauen und es Schritt für Schritt wirklich betreten, mir vertraut machen, indem ich geduldig und neugierig mit innerer Aufmerksamkeit verfolge, was sich da vollzieht. Ich bekomme überrascht mit, wie sich auf einmal ein anderes, ein neues Denken, ein neues Verhalten geradezu einschleicht. Erst halte ich es für zufällig, aber dann merke ich: Es stellt sich überraschend verlässlich immer wieder ein.
Ich habe auch gelernt, dass sich mein ganzes Leben nicht mit einem Schlag komplett ändert. Was sich komplett geändert hat, sofort, ist das alte Gefühl z.B. von mir selbst. Ich habe den Standpunkt gewechselt, die Perspektive. Ich bin sozusagen in mir selbst auf eine neue Stelle gerutscht, auf einen neuen Ausgangspunkt und fühle mich in Stand gesetzt, befähigt, den Anforderungen des Lebens, meines Daseins anders als bisher zu begegnen, besser, aktiver. Es sind ganz feine neue Lebenslinien, denen ich zu folgen beginne, neue… wie soll ich sagen… Ausblicke, die sich mir eröffnen. Als wenn etwas, was erst unscharf in mein Gesichtsfeld tritt oder auch in mein Gefühl, allmählich immer mehr an Kontur gewinnt, immer konkreter wird, bis es dann ganz zu mir gehört.
Ich bin dankbar dafür, dass ich diese rasante und wirkungsvolle Möglichkeit, mich zu verändern und neu auszurichten, jetzt gegen Ende meiner Zeit in Salzburg an der Universität Mozarteum und im Übergang zu dem letzten Abschnitt meines Lebensweges gefunden habe. Es öffnet meinen Weg ins Alter hinein, der naturgemäß viel kürzer ist als die Zeit, die ich schon gelebt habe, auch wenn durchaus noch 20 Jahre vor mir liegen können. Aber wer weiß das. Jedenfalls habe ich jetzt das Handwerkszeug in der Hand, für diese letzte Zeit noch einmal ganz neue Dinge in meinem Leben entstehen zu lassen.
Was hat das jetzt mit dem Singen und Unterrichten zu tun?
Ich stelle neue Fragen: was willst du in Bezug auf das Singen verändern? Was hindert dich daran, so zu singen, wie du es gerne möchtest? Hat es etwas mit der Gesangstechnik zu tun oder vielleicht auch mit inneren Blockaden und Überzeugungen von dir selbst?
Und dann die Gegenfrage oder besser die Weiterfrage: wie hättest du es denn gerne? Was möchtest du stattdessen denken, fühlen und tun? Wenn das klar ist, kann die Veränderung sozusagen „veranlasst“ werden und eintreten, spürbar, erfahrbar werden.
Ausgehend von diesen Grundfragen werde ich in Zukunft den Schwerpunkt meines Unterrichts neu setzen und überhaupt in meiner Arbeit mit Menschen. Ihnen eine wirksame Hilfestellung anbieten, die Veränderungen, die ihnen am Herzen liegen, zu vollziehen. Tiefgreifend und anhaltend.
Das Erstaunliche ist: es stellen sich die inneren Weichen genau in die angestrebte Richtung, und auf einmal sind Wünsche und Träume nicht nur ein Wunschdenken, sondern es ist möglich, sie konkret werden zu lassen.